„Warum sich Facebook nicht für Kommunikation interessiert“…

… sondern für Daten, erläutert Felix Stalder in einem gleichnamigen Artikel von 2014, der online auch in Le Monde Diplomatique unter dem Titel „In der zweiten digitalen Phase – Daten versus Kommunikation“) erschienen ist. Den Ausgangspunkt bilden strukturelle Transformationen und eine daraus abgeleitete Feststellung, die auch für Medienbildung eine entscheidende Rolle spielt:

„Seit Edward Snowdens Enthüllungen der umfassenden Überwachung (fast) aller Kommunikation lässt es sich nicht mehr leugnen: Die Internetrevolution befindet sich in ihrer gegenrevolutionären Phase. In den 1990er Jahren war sie angetreten, um durch Dezentralisierung, Kooperation und Transparenz neue Möglichkeiten individueller und kollektiver Autonomie zu schaffen. Heute nehmen Bestrebungen Überhand, die eben gewonnene Freiheit durch neu aus gerichtete Kontrollmechanismen wieder einzufangen und zu neutralisieren. Standen in der ersten Phase die Möglichkeiten der Kommunikation im Fokus, sind es in der zweiten Phase das Sammeln und Auswerten von Daten.“

Leitbegriff der ersten Phase der Kommunikation des Internet ist die „‚Community‘ – eine Gruppe Gleichgesinnter, die sich freiwillig zusammenschließen, um kollektiv zu handeln […]“; Leitbegriff der zweiten Phase der Daten ist das „‚Datencenter – eine Blackbox mit industriellen Dimensionen, kapitalintensiv, komplex und opak.“

Diese strukturelle Veränderung wird von Stalder ambivalent eingeschätzt:

„Aus großen Datenbeständen lassen sich Erkenntnisse gewinnen, die auf der Ebene der Kommunikation gar nicht existieren. Es lassen
sich Muster erkennen und Wahrscheinlichkeiten zukünftigen Handelns ermitteln. Darauf werden Strategien aufgebaut, um diese Wahrscheinlichkeiten zu manipulieren. Das können freundliche, unterstützende Eingriffe sein, die dem Nutzer jene Dinge, die er von sich aus machen möchte, erleichtern und damit die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie gelingen. Das können aber auch repressive Eingriffe sein, die es den Menschen schwerer.

Gegenwärtig wird diese strukturelle Verschiebung an unterschiedlichen Phänomenen deutlich – verwiesen werden kann hier auf den Diskurs um Dark Patterns sowie auf den Diskurs um Nudging.

„Mit großen, gut organisierten Datenmengen lassen sich Menschen steuern, ohne dass ihnen diese Steuerung bewusst wird . Die Polizei wird nur im Notfall, wenn alles andere versagt hat, losgeschickt. Die Daten bieten die Grundlage dafür, die Umgebung, in der Menschen handeln, vorzustrukturieren , bevor sie handeln. Dadurch wird der Eindruck der individuellen Freiheit erhalten, obwohl die Freiheit nur noch darin besteht, aus Optionen auszuwählen, die ein anderer aus eigennützigen Motiven bereitgestellt hat. Amazon, der große Onlinehändler, wird nie ein Buch empfehlen, das er nicht im Angebot hat.“

„In der zweiten digitalen Phase – Daten versus Kommunikation“ von Felix Stalder ist ein kurzer und sehr lesenswerter Artikel, der für eine struktural verstandene Medienbildung viele Diskussionpunkte liefert. (vgl. „Medienbildung im Kontext digitaler Personenprofile„). 

Mit Dark Patterns und Nudging werden wir uns im kommenden Sommersemester 2022 in einem Seminar im BA Studiengang Medienbildung auseinander setzen. Interessierte sind herzlich willkommen 🙂